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„Die Reaktionen hauen mich um!"

Richard Betz während der Aufführung von „Hand und Werk“ in Marktheidenfeld.

„Die Reaktionen hauen mich um!“

Richard Betz ist Zimmerer mit eigenem Betrieb, abgeschlossenem Architekturstudium und seit 2016 auf Theatertour unterwegs. Worum es im aktuellen Stück geht und wie sich die Tour verändert hat, hat uns der gebürtige Unterfranke erzählt.

Herr Betz, Sie sind aktuell auf Theatertour in Bayern – welche Stationen gibt es in diesem Jahr?

Es gibt in Bayern 35 Aufführungen an 30 Schulen. Der Schwerpunkt liegt in Franken, Schwaben und Niederbayern. In der Oberpfalz und in Oberbayern sind es etwas weniger Bildungseinrichtungen.

Das aktuelle Stück heißt „Hand und Werk“ – worum geht es?

Der Untertitel „oder, wie finde ich meinen eigenen Weg im Leben?“ ist Programm. Das Stück erzählt meinen Lebensweg. Ausgangspunkt ist die Frage, die mein Azubi mir einst auf dem Weg zur Arbeit gestellt hat: „Was ist für dich der Sinn des Lebens?“ Ich erzähle die authentische Geschichte, was mich zum Zimmerhandwerk geführt hat. Vor der Frage, „was will ich nach der Schule in meinem Leben machen“, stehen ja alle.

Handwerk ist für viele sehr weit weg und ich rücke das an eine zentrale Stelle. Es geht um die Erfüllung, die wir im Handwerk finden können: Wenn wir eine schönere, bessere, klimaneutralere Welt wollen, muss sie auch jemand bauen. Nur vom Plakate hochhalten entsteht diese Welt nicht. Der unglaubliche Bedarf an Handwerk, die Zukunftsperspektiven und Berufsaussichten – das alles wird thematisiert. Dabei ist es nicht belehrend. Ich lasse die Zuschauer einfach an meiner Gedankenwelt teilhaben.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher auf der Tour gemacht? Wie ist das Feedback der Schüler. Lehrer etc.?

Die Reaktionen hauen mich um! Die Lehrer und Schulleiter äußern oft Dankbarkeit, dass ich das Thema so authentisch rüberbringen kann. Das Theaterstück ist ein guter Weg, um die Schüler in den Mittelschulen zu erreichen.

Die Schüler selbst sind auch begeistert. Einige erzählen im Anschluss, dass sie sich nun doch vorstellen können, ins Handwerk zu gehen. Viele finden das Stück inspirierend und werden zum Nachdenken angeregt. Am meisten berührt hat mich dabei ein Mädchen: Ihre Eltern haben konkrete Berufsvorstellungen für sie und durch mein Stück hat sie sich dann ermutigt gefühlt, nicht dem Willen der Eltern zu folgen, sondern ihren eigenen Weg zu gehen.

Da die Theatertour für mich eine Art Wanderschaft ist, habe ich wie auf der Walz ein „Wanderbuch“ dabei, in das die Schüler etwas reinschreiben können. Da kommen wirklich individuelle Einträge. Das ist die ehrlichste Rückmeldung, die man bekommen kann. Acht komplette Bücher sind schon voll.

Wo waren Sie schon alles mit diesem Stück? Stellen Sie regionale Unterschiede fest?

Ich bin seit vielen Jahren auch in Baden-Württemberg. Das klappt gut, aber nicht in der Ausprägung wie hier in Bayern. Zum zweiten Mal bin ich jetzt auch in Hamburg. Da organisiert die Innung eine ganze Woche. In Ost-Belgien bucht mich das Ministerium für Schulen mit technischem Schwerpunkt und in Südhessen die Schulen selbst.

Im Osten habe ich auch schon vor Erwachsenen auf einer Weihnachtsfeier gespielt. Dort hat das Stück nochmal einen anderen Effekt: Es kämpft ja auch dafür, ein Selbstbewusstsein zu erzeugen, dass wir nicht die Übriggebliebenen sind, die nicht mehr geschafft haben als Hauptschule oder Mittelschule. Und da kam schon die Rückmeldung, dass die Mitarbeiter im Anschluss motivierter waren und ein anderes Selbstverständnis hatten.

Für alle Länder gilt, dass der Zugang zum Handwerk sehr abhängig vom Ort ist. In Nürnberg wird man es schwerer haben, als an einem Ort, der ländlicher geprägt ist. Und das merke ich dann auch dementsprechend mit meinem Stück. Aber jede Aufführung ist anders, jede Rückmeldung ist anders. Es wird nie langweilig.

Ich bin manchmal auch an sogenannten Problemschulen Da ist dann eine Aufführung unruhiger, dafür ist die Nachbesprechungen unglaublich lebendig. Es ist manchmal für mich selbst überraschend, wen ich da erreicht habe, wo ich es vielleicht vorher nicht gedacht hätte.

 Was halten Sie davon, wenn bei Ihren Aufführungen auch ortsansässige Zimmerer von unseren Innungen und Fachgruppen mit dabei sind und Sie unterstützen?

Das halte ich für extrem wichtig! Wenn zwei, drei Zimmerer in Kluft neben mir stehen, wird unsere Gemeinschaft sichtbar und die Zuschauer haben gleich ein Gesicht, einen Menschen aus der Gegend vor sich. So wird die Botschaft greifbarer und bleibt nicht abstrakt.

Viele Lehrer erzählen, wie sie mit Anfragen überfachtet werden. Das Theaterstück ist also auch ein Türöffner für die Zimmerer, Kontakte zur Schulleitung und Lehrern zu knüpfen und bei den Schülern präsent zu sein: Durch mein Stück wird unser Beruf in ganz hoher Qualität repräsentiert, das bietet einen exklusiven und sehr einprägsamen Zugang.

Ich hole die Zimmererkollegen auf die Bühne. Ganz toll ist es, wenn die Kollegen von ihrem eigenen Weg in unser Handwerk erzählen, der oft auch nicht gradlinig verlaufen ist. Oft bieten sie den Schülern direkt ein Praktikum, Schnuppertage, Berufstage etc. an. Da passiert im Nachgang dann einiges. Manche Zimmerer bringen auch eine Innungsliste für die Lehrer mit – dann gibt es eine Hürde weniger für die Schüler, dort ein Praktikum zu machen.

Sie sind selbst Zimmermann. Wie ist die Idee zur Theatertour entstanden?

Mit Hilfe meiner Ex-Frau, die im Theaterbereich arbeitet, hatte ich eher aus einer Laune heraus ein Stück für Kinder über Zimmerer entwickelt. Dann wollte ich auch etwas für Jugendliche machen. Dafür habe ich viele Mitstreiter in der Kreishandwerkerschaft, im Schulamt und beim LIV gefunden. Gemeinsam haben wir uns beraten, die Grundfrage war: Braucht die Welt so ein Stück? Und alle haben dies bejaht. Eine Regisseurin hat mir Kontakte vermittelt, das Stück hat eine Förderung erhalten und eine Tour durch Hessen wurde gebucht, ohne dass das Stück überhaupt geschrieben war. Ich habe also viel Unterstützung erfahren.

Da ich auch wirtschaftlich denken muss, war mir von Anfang an klar, dass ich alleine unterwegs sein muss Die Vermarktung eines Theaterstückes ist eine schwierige Sache. Und dazu kommt, dass ich mich alleine auf Bühne sehr wohlfühle, nicht einsam.

Seit wann gibt es die Theatertour und wie hat sie sich entwickelt?

Die Theatertour in Bayern gibt es seit 2016. Es war am Anfang sehr schwierig, an die Schulen zu kommen. Da hatten wir nur 13 Aufführungen an 10 Schulen. Gott sei Dank ist der Bayerische Zimmererverband, der die Termine organisiert, aber immer hartnäckig an dem Projekt drangeblieben, sonst gäbe es die Theatertour heute gar nicht mehr. So ist es mit jedem Jahr einfacher geworden. Diesmal haben sich 49 Schulen beworben und wir können nur 36 Aufführungen umsetzen – das heißt, wir mussten eine Auswahl treffen und auch einigen Schulen absagen.

Die Schulen werden überrannt mit Anfragen von Personen oder Institutionen, die an die Schule kommen und den Schülern etwas vermitteln wollen. Wenn die Schulleitung und die Lehrer das Angebotene nicht kennen und keine Referenz vorhanden ist, können sie auch nicht wissen, was gut ist. Und dementsprechend schwierig war es am Anfang.

Jetzt können wir sagen „so ein Theaterstück hat sonst keiner“, das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Ich habe mittlerweile auch eine Anfrage als Berater erhalten, weil jemand ein Mitmach-Theater auf die Beine stellen will. Mein Stück ist allerdings auf mich zugeschnitten. Doch ich werde natürlich meine Erfahrungen einbringen.

Haben Sie schon Pläne für das nächste Stück?

Nein, gerade bin ich unfassbar glücklich mit diesem Stück und hab richtig Lust, das zu spielen. Da gibt’s noch keinen Impuls, weiter nach vorne zu schauen.

 

Zum Teaser der Theatertour

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